Gerhard Höberth

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Bernardo Kastrups „Analytischer Idealismus“ und seine Ablehnung des Panpsychismus (und damit implizit auch des Pantheismus) aus der Sicht des „Evolutionären Idealismus“ (EvId)

 

Manche werfen mir vor, ich hätte mich auf Bernardo Kastrup eingeschossen und würde persönlich gegen ihn opponieren, wobei ich gegen Details seiner Philosophie vorgehen würde, die so dort gar nicht zu finden sind. Das ist mit Sicherheit nicht der Fall. Warum ich Bernardo Kastrups „Analytischen Idealismus“ so in den Fokus nehme, liegt daran, dass er meinem „Evolutionären Idealismus“ sehr ähnlich ist, aber in bestimmten Punkten entscheidend davon abweicht. Indem ich diese Punkte herausgreife, kann ich auch diese Details des EvId besser deutlich machen.
Aus diesem Grund bin ich froh, dass Kastrup in dem Video, das ich jetzt besprechen will, selbst sagt:

„(0:48) ich versuche nicht, meine Ansichten den Menschen aufzuzwingen. Ich möchte nur sicherstellen, dass die Leute richtig verstehen, was ich darlege, und sie können danach daraus machen, was sie wollen.“

Genau das werde ich tun. Ich werde seine Erklärungen nehmen und zeigen, wo er meiner Meinung nach irrt.


Hier ist der Link zum Video für alle, die es sich im Original ansehen möchten, um zu überprüfen, ob ich ihn richtig verstanden habe:


https://youtu.be/NCzbnuCVpEs?si=dvz5ovRBJs4dzNSz

 

In dem Video geht Bernardo Kastrup auf die philosophische Unterscheidung zwischen Idealismus und Panpsychismus ein und darauf, wie diese beiden Konzepte oft missverstanden werden. Er will klarstellen, dass seine idealistischen Ansichten nicht den Panpsychismus unterstützen.

Idealismus ist die Auffassung, dass die gesamte Realität im Bewusstsein existiert und sich als Phänomen des Bewusstseins entfaltet. Das bedeutet, dass alles, was wir wahrnehmen, letztendlich Teil unserer subjektiven Erfahrung ist und nicht unabhängig vom Bewusstsein existiert. Gleichzeitig postuliert Kastrup eine Differenzierung zwischen dem individuellen Bewusstsein eines Subjekts (das wir in der integralen Philosophie als „Geist“ [mind] bezeichnen) und dem „mind at large“ des übergeordneten Gesamtbewusstseins (das wir in der integralen Philosophie als „GEIST“ definieren).

Panpsychismus hingegen behauptet – so zumindest Kastrups Definition –, dass alles, was existiert, bewusst ist. Materie hat die Eigenschaft der Subjektivität oder des Bewusstseins. Was seiner Meinung nach bedeuten soll, dass selbst unbelebte Objekte wie Steine oder Statuen eine Form von Bewusstsein besitzen. Aber diese Definition ist unsauber, wie wir noch sehen werden.

Eigentlich macht er es mir damit sehr einfach. Er zeigt gleich zu Beginn seiner Ausführungen eine kleine Statue und versucht anhand dieser, den Unterschied zwischen seinem Idealismus und dem Panpsychismus zu erklären:

„(1:39) Wenn ich diese Statue hier halte, dann ist die Konkretheit, die Farbe, die Festigkeit, die ich fühle, alles, was ich wahrnehme, eine Erregung der subjektiven Erfahrung selbst, eine Erregung des Bewusstseins. Diese Statue ist nicht grundsätzlich außerhalb des Feldes meiner subjektiven Erfahrung.“

Diese Darstellung ist völlig korrekt. Wenn das nicht der Fall wäre, wüsste ich nichts von dieser Statue. Danach erklärt er grundsätzlich den Panpsychismus:

„(2:00) Panpsychismus hingegen besagt, dass alles bewusst ist, nicht, dass es im Bewusstsein ist. Panpsychismus ist vollständig mit dem Materialismus kompatibel. Was er jedoch besagt, ist, dass diese Materie, die unabhängig existiert, als eine ihrer grundlegenden Eigenschaften neben Masse, Ladung, Spin oder welchen anderen Eigenschaften wir der Materie zuschreiben, auch die Eigenschaft der Subjektivität hat, des Bewusstseins.“

Auch das ist so weit korrekt. Nun aber folgt der eigentliche Irrtum:

„(2:36) Nach dem Panpsychismus ist diese Statue nicht notwendigerweise im [individuellen] Bewusstsein, aber sie ist bewusst. Sie hat Erfahrungen; es gibt etwas, wie es ist, diese Statue zu sein, genauso wie es etwas gibt, wie es ist, ich zu sein oder wie es ist, du zu sein.“

Und hier verwechselt er meiner Meinung nach den Panpsychismus mit dem naiven Animismus, der jedem Gegenstand, den wir in unserer sprachlichen Kategorisierung einen Namen gegeben haben, auch ein Bewusstsein zuschreibt. Das ist nach Spiral-Dynamics die Ontologie der Bewusstseinsebene „Purpur“, in der auch die Stammesgesellschaften und der Schamanismus angesiedelt sind und welche Kinder durchlaufen, wenn sie unsichtbare Freunde haben und glauben, ihre Puppen würden leben. Die Entwicklung der Sprache führte dazu, dass der Name eines Gegenstandes dessen Bild im Bewusstsein hervorrief, was ohne Sprache nur der Gegenstand selbst vermochte. Eine Fähigkeit, welche dazu führte, Sprache als magisch, als wirklichkeitsverändernd wahrzunehmen. Weil wir zwischen inneren Bildern und äußeren Erscheinungen erst zu differenzieren lernen mussten. Wenn wir aber alle Gegenstände, die wir als Einheit betrachten und benennen, weil wir uns damit leichter über die Realität unterhalten können, als bewusst betrachten, stülpen wir der Welt unsere sprachlichen Kategorien über. Das ist der Irrtum des prärationalen magischen Weltbildes (es gibt auch ein transrationales magisches Weltbild, das über den Materialismus des Rationalen hinausgeht). Das hat aber weder mit der Realität, noch mit dem Panpsychismus etwas zu tun.

Hier ist die Theorie der Holons hilfreich, um diesen Irrtum aufzulösen: Ein Holon ist zunächst ein System, welches sowohl aus Subsystemen besteht (Ganzheit aus Teilen), als auch selbst ein Subsystem eines übergeordneten Supersystems sein kann (Teil einer Ganzheit). Dabei ist das Muster entscheidend, welches das System immer wieder nachzeichnet und nicht die Substanz, aus der es besteht. Die Substanz wird ständig ausgetauscht. Das Muster ähnelt sich immer selbst. Es bleibt als Fließgleichgewicht (Homöostase) erhalten, während es von Materie und Energie durchflossen wird. Holons sind Ganzheiten mit Innenperspektive, auf die die Quadrantenlehre der integralen Theorie zutrifft. Sie bestehen somit aus einem Körper (1), einem materiellen Kontext, von dem sie durchflossen werden (2), sie besitzen eine Innenperspektive (3) und einen „Weltbild“ (Vorstellung einer Außenwelt der Subjekte), das von den Innenperspektiven der im Kontext vorhandenen Holons genährt wird (4).

Alles auf dieser Welt BESTEHT aus Holons, aber nicht alles IST ein Holon. Was wie ein Widerspruch klingt, klärt sich schnell auf, wenn wir zwei weitere Kategorien hinzufügen: Manches sind Haufen und manches sind Artefakte, die eine Sonderform von Haufen darstellen, weil sie von Lebewesen (Holons) von außen gestaltet wurden. Aber sie bleiben Haufen ohne innere autopoietische Struktur in Homöostase. In meinem Buch „Evolutionärer Idealismus - Gottes Schatten im Zentrum des Regenbogens“ (2010) beschreibe ich es so:

„(Seite 189ff) Wir haben Namen für Einheiten, die in Wirklichkeit keine Ganzheiten sind. Ein Hund z.B. ist eine Einheit und eine Ganzheit. Ein Stein ist zwar eine (begriffliche) Einheit, aber keine Ganzheit, kein Holon. Ein Stein ist nichts anderes als ein Haufen von Kristallen ohne ein organisierendes Muster. Er ist eine Anhäufung von Holons, selbst aber kein Holon. Zerbrechen wir einen Stein, haben wir zwei Steine. Zerschneiden wir einen Hund, haben wir keine zwei Hunde. Der Unterschied ist der, dass ein Holon über eine ganzheitliche Funktionalität verfügt.
...
Ein Haufen ist eine zufällig angeordnete Ansammlung von Dingen, die Holons sein können, aber auch Artefakte, andere Haufen oder eine Kombination von allem. In keinem Fall aber hat ein Haufen ein strukturierendes Muster.
Ein Artefakt ist eine Ganzheit, die zwar ein strukturierendes Muster aufweist, dieses jedoch nicht aus sich selbst heraus, sondern von außen erhalten hat.
Ein Holon ist ein ganzheitliches Muster, welches aus sich selbst heraus entsteht. Es ist ein autopoietisches, sich selbst erschaffendes [und erhaltendes] System.“

Die Statue, die Bernardo Kastrup zur Erklärung in Händen hält, ist demnach ein Artefakt, was eine Sonderform eines Haufens ist. Was ein Holon zu einem Holon macht, beschreibt auch die Integrierte Informationstheorie (IIT) von Giulio Tononi: Die IIT ist eine Bewusstseinstheorie, die besagt, dass Bewusstsein aus der Fähigkeit eines Systems resultiert, integrierte Information zu generieren, wobei der Grad des Bewusstseins durch den Umfang und die Struktur dieser integrierten Information bestimmt wird. Panpsychismus ist also kein naiver Animismus, der jedem Teddybären eine Innenperspektive zuschreibt, sondern eine komplexe Theorie, die besagt, dass die Eigenschaft der Materie, eine Innenperspektive zu haben, in komplexen Systemen mit der Fähigkeit integrierte Informationen zu generieren, zu komplexen Innenperspektiven emergiert.

Deshalb ist die weitere Ausführung von Kastrup ebenso irreführend:

„(3:40) Stell dir vor, du träumst einen persönlichen, idiosynkratischen, individuellen Traum, keinen geteilten Traum. Du träumst allein und du träumst von einem ganzen Universum ohne Leben. In diesem Universum gibt es Galaxien, Sterne, Planeten, Monde, Felsen, Vulkane, Sand und all diese Dinge, aber kein Leben. Und es ist dein privater Traum. Welches ist das einzige bewusste Wesen in dieser Geschichte? Du, der Träumer. Der Träumer ist das einzige bewusste Wesen. Alles andere, die Inhalte des Traums, sind die Inhalte des Bewusstseins des Träumers. Der Vulkan, der Felsen, der Mond sind nicht bewusst in ihrer eigenen rechten. Sie sind im Bewusstsein des Träumers. Es gibt etwas, wie es ist, der Träumer zu sein, aber es gibt nichts, wie es ist, der Vulkan, der Felsen oder der Stern im Traum des Träumers zu sein.“

Galaxien, Sterne, Planeten, Monde, Felsen und Vulkane sind – soweit wir wissen – alles Haufen, aber keine Holons. Insofern stimmt seine Einschätzung, dass sie keinerlei Innenperspektive haben.

Als nächsten Punkt kommt er zu lebendigen Wesen, also zu den echten Holons höherer Integrationsstufen:

„(8:06) Wenn wir uns jedoch umsehen, sehen wir nicht nur Gegenstände, unbelebte Objekte, wie in dem Gedankenexperiment, das ich gerade beschrieben habe. Wir sehen auch andere Menschen, andere Tiere, andere lebende Wesen, denen wir selbst Bewusstsein zuschreiben. Mit anderen Worten, sie existieren nicht nur im Bewusstsein, sondern haben auch ihren eigenen subjektiven Blick auf die Realität.“

Wir sehen, dass er jetzt von Haufen zu Holons umschwenkt. Und darin sieht er eine Quelle der Verwirrung, die aber nur dann eine solche ist, wenn wir nicht zwischen Holons und Haufen unterscheiden:

„(8:34) Wir sehen diese anderen Menschen, diese anderen lebenden Wesen, auf die gleiche Weise, wie wir unbelebte Objekte sehen, und das ist die Quelle der Verwirrung, weil wir manchmal denken könnten, nun, wenn ich anderen Menschen Bewusstsein zuschreibe, warum sollte ich dieser Statue nicht auch Bewusstsein zuschreiben? Nun, ... der Panpsychismus könnte eine Notwendigkeit für den Materialismus sein, um das harte Problem des Bewusstseins zu umgehen, um nicht erklären zu müssen, wie Bewusstsein magisch aus der Materie entsteht.“

Er beschreibt also den Panpsychismus als Rettung für den Materialismus. Meiner Meinung nach klammert er hier aus, welche Gründe es gibt, den Materialismus für richtig zu halten. Das kann man an seinen Ausführungen zur Dissoziation und der Selbstlokalisierung festmachen:

„(12:05) Das Gehirn verursacht kein Bewusstsein; es ist einfach das Bild eines Prozesses der Selbstlokalisierung des Bewusstseins, auf die gleiche Weise wie ein Wirbel das Bild eines Prozesses der Selbstlokalisierung des Wassers in einem Strom ist.“

Das Gehirn ist das komplexeste Gebilde, das wir in der Natur kennen. Gleichzeitig sehen wir Korrelationen von Gehirnzuständen und Bewusstseinserfahrungen. Das widerspricht zwar nicht seiner Interpretation, dass das Gehirn als materielles Ding nur innerhalb des Bewusstseins existiert, aber warum ist es so kompliziert, wo es doch nur eine Dissoziation symbolisiert? Okay, das ist aus der Sicht des Idealismus kein Beweis für die Richtigkeit des Materialismus, aber doch ein Indiz, dass man nicht vergessen sollte. Ich werde später darauf zurückkommen, warum das wichtig ist. Sehen wir weiter, wie er Selbstlokalisation beschreibt:

„(12:33) Wenn wir also von Selbstlokalisierung des Bewusstseins sprechen, sprechen wir auch von Dissoziation. Die Selbstlokalisierung schafft die Dissoziation zwischen meinem subjektiven Erfahrungsfeld und deinem subjektiven Erfahrungsfeld. Wenn es diese Selbstlokalisierung nicht gäbe, wären wir effektiv ein Geist.
...
(13:24) Wenn ich also sage, dass menschliche Körper oder biologische Körper im Allgemeinen für jedes lebende Wesen das Bild eines Selbstlokalisierungsprozesses im Bewusstseinsstrom sind, sage ich auch, dass Körper das Bild der Dissoziation sind. Erst wenn die Dissoziation stattfindet, können wir darüber sprechen, dass etwas bewusst ist, im Gegensatz zu ‚nur im Bewusstsein zu sein‘.
Wenn ich dich vor mir sehe, sehe ich deinen Körper, das Bild des dissoziierten Teils des einen Geistes, der du geworden bist.
Wenn du mich siehst, siehst du ein Bild des dissoziierten Teils des einen Geistes, der ich geworden bin.“

Dem stimme ich voll und ganz zu. Nur würde ich die Einschränkung von „biologische“ Körper weglassen und stattdessen von Holons auf allen Ebenen sprechen. Das schließt alle biologischen Körper mit ein, beschränkt sich aber nicht darauf. Kastrup aber beschränkt seine Definition explizit auf biologische Körper. Das ist auch der Grund, warum er seinen analytischen Idealismus vom Panpsychismus abgrenzen muss. Er erklärt das im nächsten Abschnitt:

„14:18) Der Grund, warum wir uns gegenseitig sehen können, ist, dass dieser Prozess der Dissoziation, der der gleiche Prozess wie die Lokalisierung ist, Erregungen im Medium des Geistes erzeugt, wie ein Wirbel das Wasser um sich herum stört.
Dissoziation schafft Erregungen im Geist, Erregungen, die wir wahrnehmen, genauso wie wir unbelebte Objekte wahrnehmen, die auch Erregungen im Geist sind. ... sagen wir, dass unbelebte Objekte primäre Erregungen des Bewusstseinsmediums ... Selbstlokalisierung wäre wie der Wirbel im Wasser, der selbst auch Erregungen schafft, die den Wasserfluss um sich herum stören. Diese Erregungen nennen wir sekundäre Erregungen, Erregungen, die durch Dissoziation, durch Selbstlokalisierung erzeugt werden.“

Kastrup unterscheidet also zwischen primären und sekundären Erregungsmustern im einheitlichen Geist des Träumenden (Gottes, oder wie auch immer man dieses „mind at large“ auch nennen will). Erregungsmuster mit eigener Innenperspektive nennt er sekundär und ist von der Ganzheit dissoziiert. Alles Unbelebte sind nur primäre Erregungsmuster, die zwar im GEIST existieren, selbst aber keinen Geist haben. Seine Unterscheidung bringt ihn dazu anzunehmen, dass primäre Erregungsmuster ihre Ursachen im GEIST haben. Sekundäre Erregungsmuster haben ihre Ursachen zwar auch im GEIST, aber da sie dissoziiert sind und somit Geist besitzen, verursachen sie selbst ebenfalls zusätzliche primäre Erregungsmuster im GEIST. Sie beeinflussen somit den Traum von “mind at large“.

„(15:30) Da wir alle im Grunde ein Geist sind, wie es der Idealismus impliziert, nehmen unsere dissoziierten Prozesse immer noch am gleichen Traum teil, und weil diese Dissoziation sekundäre Erregungen im Geistfeld hinterlässt, nehmen wir einander als dissoziierte Segmente des einen Geistes wahr. Ich gestehe dir zu, bewusst zu sein, weil du ein dissoziiertes Segment des Geistes bist, du bist Teil des Mediums der subjektiven Erfahrung, nicht nur eine Erregung dieses Mediums.“

Interessant ist aber die Begründung, warum er zwischen lebenden Wesen, die sekundäre Erregungsmuster sind, und unbelebten Objekten, die nur primäre Erregungsmuster ohne Innenperspektive sind, unterscheidet und somit den Panpsychismus einerseits, aber auch den Solipsismus andererseits vermeidet:.

„(17:25) Meine Motivation, diesen Unterschied zwischen unbelebten Objekten und lebenden Wesen zu machen, ist empirisch.
Ich denke, es gibt gute, solide empirische Gründe, anderen lebenden Wesen die Eigenschaft zuzugestehen, bewusst zu sein, nicht nur im Bewusstsein zu sein, sondern bewusst zu sein. Warum?
Weil sie erstens physisch analog zu mir sind, das Bild ihrer Selbstlokalisierungsprozesse sehr analog zu meinen eigenen ist.
Sie haben die gleichen Organsysteme, selbst andere Tiere haben sehr ähnliche analoge Organsysteme. Der Stoffwechsel liegt unserem Leben zugrunde, er ist ein Teil von mir, er ist ein Teil unseres Lebens, ein sehr grundlegender Prozess in der Natur.
Sie zeigen Verhaltensweisen, die ich zeige, weil ich bewusst bin. Ich zeige bestimmte Verhaltensweisen, wenn ich subjektiv erfahre. Ich sehe, dass sie die gleichen Verhaltensweisen zeigen, und für mich ist die einfache Erklärung, ihnen die Eigenschaft zuzuschreiben, auch bewusst zu sein.“

Im Prinzip erklärt er hier, dass seine Begründung ein anthropozentrischer Zirkelschluss ist. In der Folge wird auch klar, dass dieser klassische Fehlschluss auf der Verwirrung zwischen den Kategorien Holons, Haufen und Artefakten beruht:

„(18:31) Empirisch denke ich, dass wir viele Gründe haben, zu glauben, dass andere Menschen, andere Tiere und vielleicht sogar andere Lebewesen bewusst sind, aber ich sehe keinen empirischen Grund zu glauben, dass eine Statue, ein Fels, ein Vulkan bewusst ist, dass es etwas gibt, wie es ist, ein Stück Fels zu sein. Ein Felsen in zwei zu brechen, ist nicht das Bild einer Dissoziation im Bewusstsein; die zwei Stücke des Felsens werden keine getrennten bewussten Wesen.
Das Zerbrechen eines Felsens ist einfach eine Erregung des Bewusstseins; das Zerbrechen des Felsens ist ein Bild im Bewusstsein, der Felsen selbst ist nicht bewusst.
Es findet keine Dissoziation statt, das Bild der Dissoziation ist das Leben.“

Obwohl er sich selbst der Unschärfe seiner Definition bewusst ist:

„(19:16) ... das Leben ist das Bild der Dissoziation, obwohl ich zugestehe, dass die Trennung zwischen Leben und Nicht-Leben auf mikroskopischer Ebene grau sein kann. Wie bei Viren, bei denen man nicht sagen kann, ob sie lebendig sind oder nicht.
Wann sagt man, dass etwas lebendig wird? Diese Grenze hat eine graue Zone, das erkenne ich an. Aber aus praktischen Gründen ist diese graue Zone unglaublich klein.
Für unsere täglichen Erfahrungen gibt es einen enormen Unterschied zwischen Leben und Nicht-Leben; der Stoffwechsel macht einen riesigen Unterschied. Es gibt einen riesigen Unterschied zwischen einem Teddybär und einem echten Bären; es gibt einen realen und unglaublich offensichtlichen Unterschied zwischen einem Felsen und einem Vogel, zwischen etwas, das lebt, und etwas, das nicht lebt. Und wir, denke ich, können das nicht leugnen; wir können diesen empirischen Grund nicht ignorieren.
Wir können keine Abstraktionen, theoretische Prämissen auf die Natur projizieren und der Natur Dinge zuschreiben, die wir nicht von der Natur zurückbekommen. Wir können keinen Grund von der Natur zurückbekommen, unbelebten Objekten die Eigenschaft des Bewusstseins zuzuschreiben, aber offensichtlich sind sie im Bewusstsein.“

Bernardo Kastrup führt diesen wichtigen Teil seiner Philosophie also auf „praktische Gründe“ zurück? Dann sind es also auch nur „praktische Gründe“, die selbst auf der Verwirrung zwischen Holons und Nicht-Holons bestehen, die ihn den Panpsychismus ablehnen lassen.

Dabei ist seine Grundidee faszinierend und mit meinem „Evolutionären Idealismus“ vollkommen identisch:

„(22:52) Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Leben das Bild eines dissoziativen Prozesses ist; ein dissoziativer Prozess ist dasselbe wie ein Selbstlokalisierungsprozess im Geiststrom, wie ein Wirbel. Diese Selbstlokalisierung hinterlässt sekundäre Erregungen im Bewusstseinsstrom, wie der Wirbel den Wasserfluss um sich herum stört. Diese sekundären Erregungen erlauben mir, dich zu sehen, und erlauben dir, mich zu sehen. Unsere jeweiligen dissoziativen Prozesse nehmen sich gegenseitig durch die sekundären Erregungen wahr, die im Bewusstseinsstrom hinterlassen werden.“

Das ist im EvId genauso. Nur dass diese Selbstlokalisierungen bereits bei den kleinsten Holons beginnen: bei Raumquanten und bei subatomaren Teilchen. Dies führt dazu, dass ich die primären Erregungen nicht benötige. Ich wüsste auch nicht, wie man diese Begründen sollte. Wenn „mind at large“, als GEIST, keine zusätzlichen Vorbedingungen beinhalten soll. Denn was beim „Analytischen Idealismus“ von Bernardo Kastrup als große Frage im Hintergrund steht: Woher kommen diese Traumbilder des GEISTes? Normalerweise sind Träume Verarbeitungen von Sinneseindrücken. Träume brauchen eine Vorerfahrung des Träumenden, die nicht im Traum selbst liegt. Aber sobald es dieser Differenzierung bedarf, dass es dieser primären Erregungen ohne Innenperspektive eines von GEIST differenzierten Geistes bedarf, bedarf es gleichzeitig der Vorstellung, dass GEIST die Welt FÜR die Geister erschaffen muss, um in diesem Kontext sekundäre Erregungsmuster zu erlauben. Es bedarf daher eines persönlichen Schöpfergottes, der sich die Welt vorab ausdenkt, indem er innere Bilder erschafft, die nicht in den inneren Bilder selbst begründet liegen.

Dies ist ein zusätzliches Axiom, das sich der EvId sparen kann. Denn hier ist JEDES Holon mit einer Innenperspektive ausgestattet. Was bei Kastrup nur für Lebewesen gilt, dass sie sich gegenseitig sehen und aus dieser Gegenseitigkeit heraus die Welt als kollektiven Traum gestalten, das gilt im EvId bereits für subatomare Teilchen, weil auch sie bereits Holons sind.

In meinem neuen Buch „Die Ur-Matrix“ beschreibe ich es zunächst aus der Sicht des Materialismus so:

„(Seite 125ff) Wir müssen uns vor Augen führen, dass wir mit unserem Bewusstsein nicht in der Wirklichkeit selbst leben, sondern in unserem geistigen Modell dieser Wirklichkeit. Wir simulieren aufgrund von Erfahrungen und Sinneseindrücken ein Modell der Außenwelt in unserem Geist/Gehirn. Wir nehmen die Welt nur wahr, weil sie unseren Körper verändert. Jeder Sinneseindruck ist eine materielle Veränderung unseres Körpers, dessen Informationen wir auf eine hypothetische Außenwelt projizieren und im Idealfall spiegelt diese innere Simulation die Außenwelt genau genug wider, damit unsere Reaktionen darauf unser Überleben sichern. Die Innenperspektive ist somit die virtuelle und informelle Spiegelung der Außenwelt aufgrund physikalischer Interaktionen. Die Veränderungen, die von einer Außenwelt an einem Holon vorgenommen werden, bilden das Bewusstsein des Holons von dieser Außenwelt. Gleichzeitig wird damit klar, dass es sich bei dieser Simulation und den entsprechenden Informationen, welche die Innenschau bilden, nicht um eine 1:1 Übertragung der physikalischen Informationen handelt, sondern um eine Bedeutungsstruktur. Wir müssen daher die physikalischen Informationen von der objektiven Seite in Bedeutungen der Innenperspektive übersetzen.“

Dann beschreibe ich, woraus aus der physikalischen Perspektive die Materie besteht und wie in der Quantenphysik aus Wahrscheinlichkeiten Wirklichkeiten werden:

„(Seite127ff) Entscheidend ist die Wechselwirkung zwischen zwei Teilchen. Nur dann kommt es zum Kollaps. Ein einzelnes Teilchen kann nicht wechselwirken. Es kann also niemals nur ein Teilchen geben. Erst wenn zwei Teilchen miteinander kollidieren, entsteht so etwas wie Realität. Diese beiden Teilchen springen in die Realität und sind plötzlich da, während die Information darüber, was aus ihnen sonst noch hätte werden können, gelöscht wird. Aus diesem Prozess entsteht unsere Wirklichkeit. Von diesem Moment an gibt es kein Zurück mehr. Die Zukunft ist das, was noch berechenbar ist, und alles, was vorher war, ist Vergangenheit. Der Quantenkollaps selbst erzeugt Zukunft und Entropie. ...
... der Quantenkollaps löscht einfach sehr viel Information, die notwendig wäre, um alles zurückzurechnen. Diese Löschung von Information aus dem Wahrscheinlichkeitsfeld erzeugt den Zeitpfeil.

Diese Löschung findet aber nur statt, wenn mindestens zwei Teilchen an dem Prozess beteiligt sind. Wirklichkeit ist das Ergebnis einer Beziehung. Kein Teilchen ist an sich wirklich. Es existiert, weil es mit einem anderen Teilchen Informationen austauscht und die beiden Teilchen voneinander «wissen». Daraus folgt, dass es auch im Quantenbereich kein «Ich» ohne ein «Du» gibt. Es ist immer die Wechselwirkung zwischen zwei Teilen, die ein «Etwas» überhaupt erst entstehen lässt. Das Ich existiert nur, weil es ein korrespondierendes Du gibt. Wirklichkeit entsteht nur aus den Beziehungen zwischen den Dingen. Nicht aus den Dingen selbst. Auch hier ist das Wesentliche nicht das Ding, sondern die Bedeutung, die es für ein anderes Ding hat.“

Ich beschreibe an dieser Stelle, wie aus GEIST → Geist entsteht und der Kosmos ohne Vorbedingungen durch reine Selbstorganisation möglich wird: Die heisenbergsche Unschärferelation, die für den Quantenkollaps zweier Teilchen sogt, ist dabei genau jene Voraussetzungslosigkeit, jene prinzipielle Leere des GEISTes, welche sich automatisch zur Fülle ausdifferenziert. Das Bewusstseins-Potenzial des GEISTes führt in einer mathematischen Notwendigkeit über die Entstehung des Kosmos als göttlicher Traum zur unendlichen Fülle des GEISTes, indem er durch unendliche Dissoziation zum raumzeitlichen Schöpfungsprozess wird, ohne, dass sich der GEIST dazu etwas vorab ausdenken müsste. Ja, es würde sogar die Fülle stören, den Prozess der Kosmos-Werdung stören, wenn innerhalb der Fülle ohne Dissoziation Traumbilder vorhanden wären.

Und hier komme ich darauf zurück, warum das Indiz für die Stimmigkeit des Materialismus wichtig ist. Denn es zeigt uns, dass es kein Widerspruch ist, wenn sich Lebewesen – wie es der Materialismus beschreibt – bottomup evolutionär entwickeln und die Komplexität des Gehirns und die Korrelationen von Gehirnzuständen und Bewusstseinszuständen eine Identität der beiden Perspektiven nahelegen.

 Am Schluss seines Videos fügt er noch ein:

„(24:10) Ich versuche nicht zu suggerieren, dass man nicht gleichzeitig Panpsychist und Idealist sein kann. Soweit ich weiß, kann man das, aber ich bin es nicht."

Da kann ich nur darauf sagen, ich bin alles gleichzeititg. Denn diese Erklärung, die ich mit meinem EvId hiermit liefere, ist auf einer Metaebene mit dem Materialismus, dem Idealismus, der Panpsychismus/Pantheismus und mit einem perspektivischen Dualismus kompatibel. Denn in dieser vorgeschlagenen Ontologie ist Materie nichts anderes als Geist von außen und Geist nichts anderes als Materie von innen, beide Perspektiven aber sind nur dissoziierte Traumbilder des GEISTes und der Kosmos ein kollektiver Traum aller in ihm vorhandenen Holons.

Gerhard Höberth, Wasserburg am Inn, 13. Juli 2024