Blog
Ökoparks als Kunstprojekt
1. Die Herausforderungen
Wir stehen an einem großen Wendepunkt der Menschheitsgeschichte. Sichtbar wird dies an den vielen Krisen, die sich derzeit häufen. Finanzkrise, Rohstoffkrise, Klimawandel, Artensterben, Pandemien, ... Auch wenn die einzelnen Problemfelder scheinbar nichts miteinander zu tun haben, so weisen sie doch auf einen bevorstehenden Wandel hin. Viele halten mich für einen Optimisten, weil ich glaube, dass wir diese Krisen überstehen werden. Ich hingegen halte mich für einen Realisten, denn die Weichen sind längst gestellt. Die Frage ist nur, mit welchen Begleiterscheinungen wir den Übergang bewältigen. Je freiwilliger und je früher wir den Übergang vollziehen, desto weniger Leid wird er mit sich bringen.
Einige Historiker argumentieren, dass wir uns gegenwärtig in einer „allgemeinen Krise des Kapitalismus“ befinden, ähnlich der „allgemeinen Krise des Feudalismus“: Im 14. Jahrhundert führte der Schwarze Tod zu einem plötzlichen Rückgang der landwirtschaftlichen Produktivität und der Bevölkerung. Es kam zu Bauern- und Weberaufständen. All dies wurde früher als unglücklicher Zufall angesehen, aber es stellte sich heraus, dass die Dysfunktionalität der feudalen Wirtschaft die Ursache dieser Ereignisse war. Sie wurde zum Hindernis für den technischen und sozialen Fortschritt. Die Pest war nur der zeitliche Auslöser.
Heute befinden wir uns aus mehreren Gründen in einer ähnlichen Situation: Klimawandel, Artensterben, Umweltverschmutzung, Finanzkrise? Das alles stellt uns vor große Herausforderungen. Und dann ist da noch die Ausbreitung von Covid-19, einer Pandemie, die auf die rasante Urbanisierung und die Abholzung der Regenwälder zurückzuführen ist. Das alles scheint nichts miteinander zu tun zu haben. Doch all diese Komplikationen sind auf dasselbe Grundproblem zurückzuführen: den heutigen unregulierten Wirtschaftsliberalismus, der die Grenzen seiner Wohlstandsmehrung erreicht hat. Zu sehr hat die Marktwirtschaft die sozialen und ökologischen Folgeschäden ignoriert. Die unsichtbare Hand des Marktes erhält zu wenig Rückmeldung über ökologische Schäden und soziale Spaltungen, als dass sie regulierend eingreifen könnte. Aber andere Gesellschaftsformen haben sich als ebenso untauglich erwiesen, so dass er vielen als alternativlos erscheint.
Massive Veränderungen als Folge dieser Krisen sind nicht aufzuhalten. Auch wenn es derzeit viele Versuche gibt, den sozialen, wirtschaftlichen, organisatorischen und technologischen Wandel zu behindern und einen patriarchalen, ethno-chauvinistischen und kolonial-hierarchischen Status quo zu konservieren, der längst nicht mehr haltbar ist. Diese Blockaden des Wandels werden die Auswirkungen der Krisen nicht verhindern, sondern verschärfen.
Besser wäre es, Innovationen so schnell wie möglich umzusetzen, um den Anforderungen der Nachhaltigkeit für einen globalen Wohlstand schneller gerecht zu werden. Aber welche Innovationen brauchen wir? Was ist zukunftsfähig und was nur Retro-Romantik?
Ich selbst habe sehr konkrete Vorstellungen, wie eine neue Zukunft aussehen könnte.
- Wir brauchen eine Metamorphose hin zu einer anderen Marktwirtschaft, die in der Lage ist, soziale und ökologische Nebenwirkungen zu berücksichtigen.
- Wir brauchen so schnell wie möglich 100% erneuerbare Energien und eine Elektrifizierung der gesamten Energiewirtschaft. Denn nur so können viele Umwandlungs- und Bereitstellungsverluste vermieden und die Effizienz des Energieverbrauchs von derzeit 14% auf über 60% gesteigert werden.
- Wir brauchen eine Cradle2Cradle-Wirtschaft, die wie die Kreisläufe in der Natur keinen Abfall kennt, sondern nur frei werdende Rohstoffe.
- Wir brauchen ein bedingungsloses Grundeinkommen, am besten weltweit, damit kein Mensch naturschädigende Arbeiten verrichten oder sinnlose Produkte herstellen muss, nur weil er Geld zum Überleben braucht.
Aber das ist heute nicht mein Thema. Ich möchte mich heute einem anderen Bereich zuwenden. Dem Problem, dass wir mit unseren Ernährungsgewohnheiten der Natur derzeit zu viel Platz wegnehmen und damit die Artenvielfalt drastisch reduzieren. Und einer Idee, wie sich das in Zukunft ändern könnte und welche Aufgaben sich daraus für uns ergeben.
2. Probleme der Ernährung der Menschheit.
Die Ernährung der Menschheit scheint eine schwierige Zukunftsaufgabe zu sein. Eine zentrale Herausforderung besteht darin, mit dem Bevölkerungswachstum Schritt zu halten, das bis 2050 auf 9 Milliarden Menschen ansteigen dürfte. Seit 1950 ist die Weltbevölkerung um mehr als 200% von 2,5 auf 7,6 Milliarden Menschen gewachsen. Dieses Wachstum wird jedoch nicht mehr durch hohe Geburtenraten angetrieben, sondern durch die steigende Lebenserwartung und die sich entwickelnden Volkswirtschaften der Welt. Beides sind positive Effekte, die hoffentlich auch in Zukunft anhalten werden. Sie werden aber in vielen Teilen der Welt die bestehenden Ernährungssysteme unter Druck setzen und neue Herausforderungen für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel mit sich bringen. Um die Weltbevölkerung in Zukunft ernähren zu können, muss die landwirtschaftliche Produktion bis 2050 um 77 Prozent in den Entwicklungsländern und um 24 Prozent in den Industrieländern steigen. Die landwirtschaftlich nutzbare Fläche wird aber nicht wachsen, wenn wir keine Regenwälder roden wollen. 1960 betrug die landwirtschaftlich nutzbare Fläche pro Kopf und Erdenbürger 4.300 Quadratmeter. Heute sind es 2.100 Quadratmeter und 2050 werden es nur noch 1.800 Quadratmeter sein.
Doch das eigentliche Problem ist nicht die Zahl der Menschen. Es ist die Art und Weise, wie wir Landwirtschaft betreiben und was wir essen.
2.1 Fleischkonsum ist der größte Feind der Natur
Die globale Fleischindustrie und die intensive Landwirtschaft sind zu den Haupttreibern der Umweltzerstörung geworden. Der Verlust an Lebensraum und biologischer Vielfalt erreicht Rekordhöhen. Grund dafür ist die Umwidmung natürlicher Ökosysteme für die Futtermittelproduktion oder als Weideland.
Das Hauptproblem sind die zunehmenden Monokulturen, die auf Pestizide angewiesen sind. Dies führt zu einer Zerstörung der Böden, was wiederum zu einer noch stärkeren Umverteilung von Naturland führt. Die Fleischproduktion verbraucht große Mengen an fossiler Energie, Dünger und Wasser. Leidtragende sind Vögel, Säugetiere, Insekten und Mikroorganismen, die ihren Lebensraum verlieren. Die landwirtschaftliche Produktion von Fleisch ist für durchschnittlich 30% der vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen verantwortlich. (Durchschnittlich deshalb, weil die Zahlen je nach Studie zwischen 18% und 52% schwanken. Auf jeden Fall aber mehr als der gesamte Verkehrssektor).
Heute sind 66% der tierischen Biomasse auf der Erde Nutztiere. 30% sind Menschen und nur 4% der tierischen Biomasse sind Wildtiere.
Es gibt 8 Milliarden Menschen auf der Erde. Aber wir töten 60 bis 75 Milliarden Nutztiere pro Jahr (Fischfang nicht mitgerechnet). Das bedeutet, dass große Mengen an Futtermitteln angebaut werden müssen. Man schätzt, dass 75 bis 80 Prozent der gesamten landwirtschaftlich nutzbaren Fläche der Erde für Futtermittel verwendet werden. Das ist eine riesige Fläche, größer als der gesamte afrikanische Kontinent! Dafür werden große Mengen an Wasser, Dünger und Pestiziden eingesetzt. Für eine Kalorie Fleisch müssen mindestens 10 bis 15 Kalorien pflanzliche Nahrung eingesetzt werden, wenn die Tiere sofort geschlachtet werden, sobald sie ausgewachsen sind. Werden sie später geschlachtet, also nicht als «Teenager», sind es entsprechend mehr. Die Kalorienmenge, die auf diese Weise erzeugt werden kann, macht aber nur 16% der Welternährung aus, und das auf 80% der Fläche! Derzeit wachsen also 84% der Kalorien für die menschliche Ernährung auf 20% der Fläche. Damit ernähren wir 7,2 Milliarden Menschen, während 800 Millionen hungern. Das ist nicht nur eine gigantische Tierquälerei, sondern auch eine gigantische Lebensmittelverschwendung und ein sozial unverantwortliches Handeln.
Würde man die Ernte direkt für den menschlichen Verzehr nutzen und nicht den Umweg über Fleisch gehen, könnte man mit der heutigen Ackerfläche 34 Milliarden Menschen ernähren.
Dem wird gerne entgegengehalten, dass für Gemüse und Getreide Gülle als Dünger benötigt wird und dass viele Flächen, auf denen Tiere weiden, für den Ackerbau gar nicht geeignet sind, weil dort nichts wächst. Beides stimmt nicht.
Erstens: Der Darm der Tiere ist keine Zauberkammer, die dem Futter etwas hinzufügt, was vorher nicht da war. Alles, was bei den Tieren hinten als Dünger herauskommt, ist vorher vorne als Futter reingekommen. Es wurde nur von den Darmbakterien umgewandelt. Ein Prozess, der in einem gesunden Boden auch von der Artenvielfalt der Mikroorganismen geleistet werden kann. Biovegane Landwirtschaft funktioniert auch ohne tierische Exkremente als Dünger.
Zweitens: In Jordanien wurden versuchsweise Steppen- und Halbwüstengebiete eingezäunt, damit das Weidevieh die spärlichen Pflanzen nicht abfressen kann. Innerhalb kürzester Zeit verwandelten sich diese eingezäunten Gebiete in grüne Oasen. Es ist also nicht so, dass in solchen Gebieten Viehwirtschaft betrieben werden muss, weil dort nichts wächst, sondern es wächst dort nichts, weil dort Viehwirtschaft betrieben wird.
2.2 Energiepflanzen?
Neuerdings bekommt die Nahrungsmittelproduktion auch Konkurrenz durch den Anbau von Energiepflanzen. Aus Ölpalmen, Raps und Mais lassen sich scheinbar nahezu klimaneutral Biodiesel und Biogas gewinnen. Der großflächige Anbau von Bioenergiepflanzen hat jedoch massive negative Auswirkungen auf die Biodiversität. Der Anbau von Energiepflanzen weist eine negative Ökobilanz auf. Er führt unter anderem zum Verlust wertvoller Lebensräume und schadet dem Klima. Palmölplantagen und Rapsfelder zur Gewinnung von Pflanzenöl zerstören Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Die Ausweitung des Anbaus solcher Energiepflanzen ist für die biologische Vielfalt ebenso schädlich wie der Klimawandel selbst. Besonders dramatisch ist in Deutschland die regionale Zunahme von Maisfeldern für die Biogasproduktion. Mais benötigt energieintensiv hergestellten Kunstdünger, der an anderer Stelle fehlt.
In den «Maiswüsten» auf den Feldern leidet die Artenvielfalt. (Auch wenn von bäuerlicher Seite Studien zitiert werden, nach denen bis zu 40 % der Maisflächen die Artenvielfalt nicht beeinträchtigen, wird auf diesen 40 % die Artenvielfalt natürlich zerstört).
Würde man die gleiche Fläche mit Freiflächen-Photovoltaik bestücken, wäre der Energieertrag 31-mal höher. Dabei ist der Energieaufwand für Anbau, Herbizideinsatz, Düngung und Ernte von Mais noch nicht berücksichtigt. Jeder Hektar Anbaufläche liefert ca. 250 Gigajoule Kalorien, benötigt ca. 160 kg Stickstoff und für ein kg Stickstoff werden in der Produktion 8 kWh benötigt. Insgesamt werden für Anbau und Ernte von Mais für die Biogasproduktion 3,3 MWh Energie benötigt. In Biogas umgewandelt und zur Stromerzeugung genutzt, liefert ein Hektar Mais ca. 16 MWh Strom. Es verbleibt also eine Effizienz von 12,7 MWh pro Hektar.
Anders gerechnet: 2020 beträgt die Anbaufläche für Energiepflanzen (Mais) in Deutschland 2,8 Mio. ha. Der gleiche Energieertrag ließe sich mit 90.000 ha Freiflächenfotovoltaik (pro Hektar Fläche erzeugt eine solche Anlage ca. 500 MWh Strom pro Jahr), Gemüseanbau und 2,7 Mio. ha Renaturierung erzielen. (Mitlerweile - 2023 - hat sich die Effizient von Fotovoltaikanlagen nochmals drastisch erhöht und heute kann man auf einem Hektar Freifläche ca 900 MWh Strom produzieren.)
Das Problem ist nicht, dass wir dann zu wenig Energie hätten, denn schließlich wird die gleiche Energiemenge mit viel weniger Aufwand erzeugt. Das Problem ist, dass die Menschen (in diesem Fall die Landwirte) dann keine Arbeit mehr haben. Energiepflanzen sind eine alternative Einkommensquelle für Landwirte, die von der Nahrungsmittelproduktion nicht mehr leben können. Es geht also nicht um Effizienz, sondern um die Schaffung von Arbeitsplätzen. → Arbeit macht die Welt kaputt!
Wenn Erneuerbare-Energien-Anlagen in den Händen von Großkonzernen sind, wird die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich verstärkt. Da staatliche Eingriffe in die Eigentums- und Kapitalverhältnisse nicht in der erforderlichen Größenordnung und vor allem nicht ohne unerwünschte Nebenwirkungen möglich sein werden, wird es notwendig sein, durch Kapitalsteuern und ein bedingungsloses Grundeinkommen (evtl. kombiniert als negative Einkommensteuer) die Kapitalakkumulation zu verhindern und den technologischen Wohlstand einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaft allen zugänglich zu machen.
Doch zurück zur Ernährung:
2.3 Die Zukunft ist vegan
Die Zukunft ist vegan, daran besteht kein Zweifel. Die Zahl der Veganer ist in den letzten Jahren weltweit gestiegen. Einige große Konzerne stellen ihre Produktion auf umweltfreundliche pflanzliche Lebensmittel um. Denn immer mehr Menschen sind sich bewusst, was sie ihrem Körper zuführen und wie sich das auf die Umwelt auswirkt.
Fleisch essen gehört zu den umweltschädlichsten Dingen, die wir täglich tun. Die Produktion von Fleisch verbraucht enorme Ressourcen und hat einen großen Einfluss auf die Emission von Treibhausgasen. Die Fleischindustrie ist weltweit die Hauptursache für die Abholzung von Wäldern. Außerdem verursacht sie massive Methanemissionen, die erheblich zum Treibhauseffekt beitragen. Immer mehr Menschen entscheiden sich aus ethischen, aber auch aus ökologischen Gründen für eine vegane Lebensweise. Wenn wir überleben wollen, haben wir keine andere Wahl, als uns vegan zu ernähren.
Aber es gibt auch immer mehr vegane Alternativen zum Fleischkonsum. Diese Alternativen sind nicht nur gesünder, sondern auch umweltfreundlicher. Vom Hamburger bis zum Speck gibt es alles, was aus Soja, Weizengluten oder Pilzen hergestellt werden kann. In Chile hat sich ein Start-up (NotCo) etabliert, das mit Hilfe künstlicher Intelligenz tierische Produkte auf pflanzlicher Basis nahezu perfekt nachbaut. Milch wurde bereits perfektioniert und benötigt bei der Herstellung 74 Prozent weniger Energie, 92 Prozent weniger Wasser und 74 Prozent weniger Treibhausgasemissionen als Milch von Kühen.
Wer trotzdem nicht auf Fleisch verzichten will, für den wird in Zukunft In-vitro-Fleisch gezüchtet. Eine neue Anlage in der Bay Area von San Francisco produziert bereits im großen Stil Fleisch aus dem Labor, erstaunliche 200.000 Kilogramm pro Jahr. Die Fabrik hat eine Fläche von 5.800 Quadratmetern und wird von einer Tochterfirma des Lebensmitteltechnologie-Unternehmens «Upside Foods» aus Berkeley betrieben. Die Industrie für im Labor gezüchtetes Fleisch steckt noch in den Kinderschuhen, weltweit entstehen neue Anlagen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Unsere Abhängigkeit von der Viehzucht zu beenden, könnte erhebliche Auswirkungen auf den Ausstoß von Treibhausgasen haben - und uns gleichzeitig den ethischen Genuss eines saftigen Burgers ohne Tierleid erhalten.
2.4 Vertikalfarmen
Aber nicht nur für Fleisch gibt es Alternativen. Auch für Gemüse, Salate, Kräuter und Wurzeln bietet die Technik Verbesserungen mit weniger Platzbedarf und mehr Ertrag: Vertical Farming! Darunter versteht man eine Form der Landwirtschaft, bei der Pflanzen in vertikal gestapelten Schichten angebaut werden. Diese Farmen benötigen deutlich weniger Platz als die herkömmliche Landwirtschaft und erzielen höhere Erträge. Sie können dort gebaut werden, wo die Lebensmittel auch konsumiert werden. Auch die anderen Vorteile können sich sehen lassen:
- Es werden weniger Ressourcen benötigt, da keine Kühlung erforderlich ist und die Transportwege kurz sind. Auch beim Transport gehen weniger Lebensmittel verloren.
- Durch den mehrstöckigen Anbau können kleine Flächen viele Menschen versorgen.
- Da das Wasser im Kreislaufsystem des Vertical Farming weder versickert noch verdunstet, ist der Wasserverbrauch geringer als auf dem Feld.
- Da Vertical Farms nicht dem Wechsel der Jahreszeiten ausgesetzt sind, sind die Erträge deutlich höher und sowohl saisonal als auch regional unabhängig.
- Die Pflanzen wachsen in einer kontrollierten Umgebung und sind unabhängig von klimatischen Bedingungen oder anderen Umwelteinflüssen. Dies ist besonders im Hinblick auf den Klimawandel von Vorteil, da extreme Wetterereignisse immer häufiger auftreten.
- Durch die kontrollierte Umgebung herrschen bereits gute Wachstumsbedingungen, so dass weniger Pestizide benötigt werden.
- Exotisches Obst und Gemüse regional verfügbar: In den regulierbaren Gewächshäusern können auch exotische Pflanzen angebaut werden.
- Computergesteuerte Umweltbedingungen können die Pflanzen gezielt beeinflussen und z.B. durch besondere Lichtverhältnisse den Geschmack verändern.
- Durch eine effizientere Flächennutzung können Äcker wieder naturnah bewirtschaftet werden. Das schont die Ressourcen.
- Der von Pflanzen produzierte Sauerstoff kann die Luft in Ballungsräumen verbessern.
- Im Vergleich zur Feldbewirtschaftung sind Arbeiter*innen beim Vertical Farming weder Pestiziden noch anderen Gesundheitsrisiken ausgesetzt, die häufig mit dem Ackerbau verbunden sind.
- Geringe Personalkosten, Vorbereitung auf den Demografischen Wandel: Fast alle Prozesse laufen automatisiert ab.
Vertikale Farmen scheinen einen Nachteil zu haben. Weil sie statt mit Sonnenlicht mit LED-Licht arbeiten, haben sie einen höheren Energieverbrauch. Aber stimmt das wirklich? Ohne billiges Erdöl können wir unser globales Nahrungsnetz nicht aufrechterhalten. Die Abhängigkeit der konventionellen Landwirtschaft von fossilen Brennstoffen ist enorm. Wir stecken etwa fünfmal mehr Energie in die industrielle Landwirtschaft, als wir an Kalorien über unsere Nahrung zurückbekommen. Vertikale Farmen können mit Solarmodulen betrieben werden, die auf dem Gebäude selbst oder in unmittelbarer Nähe in agrovoltischen Anlagen installiert werden. Die anfallenden organischen Abfälle können aber auch direkt in einer nahe gelegenen Biogasanlage zur Stromerzeugung genutzt werden, während die Reststoffe aufbereitet und als Dünger in den Kreislauf zurückgeführt werden.
2.5 Bioreaktoren
Bleiben die großen Eiweißlieferanten wie Getreide. Müssen wir Weizen, Gerste, Roggen, Kartoffeln und Soja noch großflächig anbauen?
Eine finnische Firma («Solar Food») hat auch dazu eine Idee: Über Solaranlagen wird Wasserstoff durch Elektrolyse gewonnen und mit Luft vermischt in Wassertanks geleitet, in denen Bakterien - ähnlich wie die Hefe beim Bierbrauen - aus CO2 und Wasserstoff Eiweiß produzieren. Nach dem Fermentationsprozess kann aus der immer dicker werdenden Flüssigkeit ein Brei abgeschöpft werden, der dann zu Pulver getrocknet wird. Das Ergebnis ist «Solein», ein mehlartiges Eiweißpulver, das als Grundlage für Nudeln, aber auch als Fleischersatz dienen kann. Solein besteht zu über 50 Prozent aus Proteinen. 20 bis 25 Prozent sind Kohlenhydrate. Hinzu kommen 5 bis 10 Prozent Fett. Der Vorteil des so hergestellten Mehls liegt auf der Hand: Es benötigt weder Ackerland noch Bewässerung und ist nicht von klimatischen Bedingungen abhängig.
2.6 80% der Agrarflächen werden frei
Mit Laborfleisch, Vertikalfarmen und Solein sind wir in unserer Nahrungsmittelproduktion praktisch unabhängig von allen äußeren Bedingungen. Vertikale Farmen benötigen nur 1/50 der Fläche eines Gemüsegartens. Bioreaktoren und Fleischlabors verbrauchen so gut wie kein Land.
Werden damit alle landwirtschaftlichen Flächen für die Renaturierung frei? Sicher nicht. Es wird weiterhin Agrovoltaik mit Gemüseanbau, biovegane Landwirtschaft und Permakultur geben, vielleicht auch in Kombination mit «Gnadenhöfen», die weiterhin Viehzucht zur Erhaltung alter Nutztierrassen betreiben, aber ohne Schlachthöfe. Gerade wenn weitere Umbrüche die Gesellschaft so verändern, dass wir ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen können, wird es die Menschen in ihrem Handeln von der Notwendigkeit des wirtschaftlichen Erfolges befreien und sie können sich stärker ihren ethischen Interessen zuwenden. Möglicherweise wird dann auch ökologische und nicht mehr nur ökonomische Wertschöpfung finanziell honoriert. Aber auch Ölpflanzen (Raps, Soja), Faserpflanzen (Hanf, Flachs) und Bäume für Holz werden wir noch einige Zeit auf Freiflächen anbauen müssen, bis auch sie durch Bioreaktoren verfügbar werden.
Es ist aber damit zu rechnen, dass bis zu 80 % der heutigen Ackerflächen frei werden. Was machen wir damit? Lassen wir sie einfach brach liegen? Das Problem ist, dass wir der Ökosphäre tiefe Wunden zugefügt haben, die es zu heilen gilt. Das ist auch unsere Verantwortung.
3. Wie renaturieren wir die frei werdenden Flächen?
Was sollen wir also mit diesen Flächen machen und vor allem, was können wir heute schon tun, um uns auf diese Zeit vorzubereiten?
3.1 Blühstreifen und Bauminseln als falscher Weg
Seit das Insektensterben in aller Munde ist, werden Blühstreifen und Blumeneinsaaten auf Verkehrsinseln zum Modetrend. Meist werden aber Saatmischungen verwendet, die den heimischen Insekten wenig nützen. Die meisten Blumen kommen aus Asien, Afrika oder Amerika, sehen schön aus, helfen aber der mitteleuropäischen Artenvielfalt nicht.
Doch wie sieht es aus, wenn man auf heimisches Saatgut achtet? Leider kaum besser. Es ist eher eine Insektenfalle als eine Insektenförderung. Und das aus verschiedenen Gründen.
- Blühstreifen zwischen Feld und Straße locken Insekten in Straßennähe. Autos gehören jedoch zu den größten Insektenvernichtern.
- Die Blühstreifen sind nur wenige Meter breit und daher nie weit von den Feldern entfernt, die in der Regel mit Insektiziden behandelt werden.
- Blühstreifen müssen - um eine staatliche Förderung zu erhalten (FAKT E 2.1 und E 2.2) - vor Beginn des nächsten Frühjahrs entfernt, gemulcht oder in den Boden eingearbeitet werden. Selbst wenn tatsächlich insektenfreundliche Blühpflanzen ausgesät wurden, tötet dies die gesamte darauf lebende Fauna. Denn viele Insekten überwintern als Ei, Larve oder Puppe in oder an Pflanzenstängeln. Die Tiere werden von den Blühstreifen angelockt und der gesamte Nachwuchs für das nächste Jahr wird vernichtet. Das ist keine Hilfe, sondern eine zusätzliche Massenvernichtung zu den Pestiziden.
Bauminseln in der Feldflur sind für den Erhalt der Biodiversität kaum besser geeignet. Auch sie liegen zu nahe an der industriellen Landwirtschaft.
3.2 Ausgleichsflächen
«Der Verursacher ist verpflichtet, unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen). ...»
Immer dann, wenn durch eine Baumaßnahme an einer Stelle Natur verloren geht, muss dies an anderer Stelle ausgeglichen werden. Für jeden Quadratmeter versiegelter Fläche muss an anderer Stelle ein Ausgleich geschaffen werden, so schreibt es das Bundesnaturschutzgesetz vor. Auf Ausgleichs- und Ersatzflächen müssen demnach Maßnahmen durchgeführt werden, die die Flächen ökologisch aufwerten. Das ist allerdings sehr vage formuliert, so dass eine «ökologische Aufwertung» schon dann vorliegt, wenn ein Acker in eine Baummonokultur umgewandelt wird, um später wieder Holz zu ernten. Auch Blühstreifen können als Ausgleichsflächen angerechnet werden. Das alles geschieht aber unter der Prämisse, dass Flächen immer knapper werden und ökologisch erhalten werden müssen. Wir werden aber auch in Zukunft Flächen haben, die zerstört sind und renaturiert werden müssen. Sie einfach sich selbst zu überlassen, wäre zwar eine Möglichkeit, aber erstens würde es sehr lange dauern, bis sich ein funktionierendes Ökosystem mit entsprechender Biodiversität entwickelt hat, das der Natur hilft, sich zu erholen, und zweitens wäre es ein ästhetischer Rückschritt, wenn wir unsere Kulturlandschaft in eine Steppe verwandeln würden. Daher mein Vorschlag mit den Ökoparks.
4. Ökologisches Kunstprojekt: Ökoparks
An die Renaturierung dieser ausgeräumten Naturflächen sollten wir nicht nur als Ökologen, sondern auch als Künstler herangehen. Ziel sollte es sein, regionale, aber auch an das sich ändernde Klima angepasste Pflanzen zu verwenden, eine möglichst große Artenvielfalt zu erreichen, das ästhetische Empfinden des Menschen anzusprechen und die lokale Bevölkerung einzubeziehen.
4.1 Grenzflächen haben die dreifache Biodiversität
Natürlich könnte man einfach möglichst viele Bäume pflanzen. Das wird in vielen Aufforstungsprojekten auch gemacht. Oft entstehen dabei monokulturelle Stangenwälder. Manchmal aber auch gute Mischwälder. Je nach Projekt und je nach Projektleiter. Wenn man aber die Biodiversität in den Mittelpunkt stellt, ergeben sich andere Prioritäten. Jedes Habitat hat seine Bewohner. Der Wald, die Wiese, der See, das Moor ... Aber die größte Vielfalt findet sich in den Grenzbereichen.
Nehmen wir zum Beispiel den Waldrand: Der Bereich, in dem der Wald in die Wiese übergeht, ist ein eigenes Ökosystem. Hier leben die pflanzlichen und tierischen Waldbewohner genauso wie die Wiesenbewohner. Aber auch die Bewohner des Waldrandes sind hier zu Hause. Waldränder weisen eine dreifache Artenvielfalt auf. Ökologisch wertvolle Waldränder sind stufig aufgebaut. Es gibt den Waldmantel aus Waldrandbäumen und Totholz, den Strauchgürtel aus Sträuchern und jungen Bäumen und den Krautsaum aus Gräsern, Binsen und Wildblumen. Insgesamt ist der Waldrand im besten Fall 15 Meter breit. 15 Meter mit extrem hoher Artenvielfalt.
Ein gesunder, naturbelassener Waldrand bietet vielen Tieren und Pflanzen einen idealen Lebensraum. Die wechselnden Umweltbedingungen wie Licht, Temperatur und Boden sorgen für eine hohe Artenvielfalt in einer offenen Umgebung. Pflanzen, die viel Licht brauchen und im Wald nicht gedeihen können, wachsen eher an Waldrändern. Wildbienen, Ameisen, wärmeliebende Eidechsen und Schlangen fühlen sich hier wohl. Die Waldbewohner sind nicht die einzigen Schädlingsjäger, die diesen Ort lieben. Auch viele Fledermäuse gehen hier gerne auf Insektenjagd. Verschiedenste Vogelarten nisten und brüten am Waldrand und das Wild findet hier Deckung und ungestörte Äsungsflächen.
Gestufte Waldränder erfüllen auch eine wichtige Funktion, indem sie starke Winde nach oben ablenken und etwas Luft durchlassen. Dadurch wird verhindert, dass sich Luftmassen stauen, wie dies in Wäldern der Fall ist, deren Ränder vom Menschen aus wirtschaftlichen Gründen geradlinig und abrupt angelegt wurden. Dies führt zu starken Turbulenzen, die Windwurf und Windbruch verursachen.
Ähnlich wichtige Funktionen mit dem Vorteil einer hohen Biodiversität erfüllen auch andere Grenzflächen. Es ist daher vorteilhaft, die Anzahl der Grenzflächen zu erhöhen.
4.2 Fraktale Bilder als Grundlagen für Anpflanzungen von heimischen Gräsern, Büschen und Bäumen
Die größten Grenzflächen werden mathematisch durch Fraktale gebildet. Es wäre daher sinnvoll, Aufforstungen als solche Fraktale zu gestalten. Nebenbei wirken solche mathematischen Strukturen auch sehr ästhetisch.
Dabei sollten in den Randbereichen auch Kiesflächen und/oder Steinhaufen angelegt werden, die ein wichtiger Lebensraum für Eidechsen und Schlangen sind. In der Anfangsphase kann eine solche Bepflanzung auch als Erholungsraum für den Menschen dienen. Spätere Eingriffe sollten jedoch so gering wie möglich gehalten werden, damit sich die neue Bepflanzung entwickeln kann. Denn am Anfang ist es noch kein gewachsener Wald. Das Bodenleben muss sich erst etablieren. In jedem naturnahen Wald gibt es Pilzgeflechte im Boden, die das Ökosystem erst zu einem ganzheitlichen Organismus machen. Das braucht Zeit und muss sich erst etablieren. Dann aber sollte es im Idealfall ein sich selbst tragendes Ökosystem für Pflanzen und Tiere werden.
4.3 Zukunftsvision: Vernetzung der Inseln
Da jedes Aufforstungsprojekt als fraktale Pflanzung regional begrenzt ist, die Renaturierungsflächen aber in Zukunft zunehmen werden, könnten diese Flächen in Zukunft zusammenwachsen. Dazu sind langfristig auch Ökobrücken über Straßen denkbar, wie sie bereits an einigen Autobahnen geplant sind. Dies ist auch für den Gen-Austausch von Wildtieren wichtig und dient damit ebenfalls der Biodiversität. Wenn wir langfristig 80% der heutigen Agrarflächen renaturieren wollen, um das sechste Massenaussterben zu stoppen, ist es wichtig, dass die Ökosphäre wieder zusammenwächst.
5. Der Weg vom IST- zum SOLL-Zustand
Mir ist bewusst, dass dies alles sehr utopisch klingt in einer Zeit, in der viele glauben, dass wir nicht genug Land haben werden, um alle Menschen zu ernähren, die Mitte dieses Jahrhunderts auf diesem Planeten leben werden. Aber die Technologie für eine weltweite Umwälzung der Nahrungsmittelindustrie ist bereits entwickelt und teilweise vorhanden. Derzeit sind die Kosten noch zu hoch, um wirtschaftlich konkurrenzfähig zu sein, aber das wird sich in den nächsten 5 bis 10 Jahren ändern, und danach wird es sehr schnell gehen. Noch vor 2030 wird sich diese Disruption wirtschaftlich durchgesetzt haben. Deshalb sollten wir uns schon jetzt Gedanken machen, wie wir mit den frei werdenden Flächen ökologisch sinnvoll umgehen.
Was ist der nächste Schritt, um diesen Wandel einzuleiten? Wir brauchen Initiativen, die sich dieser Aufgabe widmen. Es müssen sich Gruppen ganz unterschiedlicher Menschen zusammenfinden. Landwirte und Gemüsegärtner, Energieingenieure und Techniker, aber auch Juristen und Politiker. Und natürlich Künstler, Landschaftsplaner und Ökologen, Baumschulen und Gastronomen und - last but not least - natürlich Investoren.
Wenn irgendwo ein Bauer aufgibt, sollte diese Gruppe bereit sein, das Land zu kaufen, bevor es von großen Agrarkonzernen übernommen wird. Der Hof sollte in eine vertikale Farm umgewandelt werden, man sollte Bioreaktoren aufstellen und vielleicht ein Gasthaus eröffnen, in dem diese Produkte verarbeitet und angeboten werden. Ein Informationszentrum könnte eingerichtet werden, um Besucher über das Projekt zu informieren. Das Land soll mit Agrovoltaik bepflanzt werden, mit darunter liegenden Gemüsegärten, so dass etwa so viel Nahrung produziert werden kann, wie der Hof vorher in konventioneller Landwirtschaft produziert hat. Der Rest des Ackerlandes wird dann in einen Ökopark umgewandelt, mit Parkplätzen am Rande, so dass die Besucher des Museums und der Gaststätte - eventuell auch des Hofladens - durch den Ökopark spazieren können, solange er noch nicht zu verwildert ist.
Die Juristen sollten alle Möglichkeiten ausloten, wie bestehende Gesetze wie die Ausgleichsflächenverordnung zur Mitfinanzierung des Projektes genutzt werden können, und die Politiker sollten in den Landesverwaltungen die Weichen für die Umsetzung in den einzelnen Regionen stellen.
Ich selbst bin kein Landschaftsplaner, Biologe, Ökologe oder Landwirt, sondern Künstler und Philosoph. Wahrscheinlich gibt es viele Fehleinschätzungen in diesem Konzept, nicht was die Zukunft der Ernährung betrifft, aber was die Möglichkeiten der Umsetzung von Ökoparks betrifft. Es ist auch nur eine erste Idee, die vielleicht als Keim für eine neue ökologische Wende in der Zukunft dienen kann.
Gerhard Höberth, Wasserburg, November 2021