Gerhard Höberth

Newsletter

Blog

SpaceAge - müssen wir uns fürchten?

Artikel für ein amerikanisches SciFi-Magazin bezüglich Außerirdischer Intelligenzen:

Müssen wir uns fürchten?
Auf der Leinwand begegnen wir ihnen immer wieder: den kriegerischen Außerirdischen. Was würde passieren, wenn wir wirklich einmal einer überlegenen Außerirdischen Rasse begegnen? Wie realistisch ist so ein Krieg der Welten?

Ob „Independence Day“ oder „Krieg der Welten“, ob „Star Trek“ oder „Star Wars“, kriegerische Außerirdische sind allgegenwärtig. Das macht es für viele Menschen nicht gerade erstrebenswert, ins All vorzustoßen oder mit Programmen wie SETI von uns aus nach Nachbarn im All zu suchen. Warum sollten wir uns so einer Gefahr aussetzen indem wir selbst auf uns aufmerksam machen?

Aber ist diese Angst überhaupt realistisch? Müssen wir uns wirklich vor Auseinandersetzungen mit fremden Intelligenzen fürchten?

Eigentlich nicht.
Und der Grund dafür liegt nicht einfach nur darin begründet, dass die Obergrenze der Lichtgeschwindigkeit es derzeit eher unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass wir tatsächlich einmal auf fremde Zivilisationen treffen. Denn es ist keineswegs abschließend geklärt, dass wir diese Grenze niemals überwinden können. In der Science Fiktion Literatur wurden bereits einige Möglichkeiten dazu vorgeschlagen und wer weiß, was die Zukunft wirklich bringt

Der Grund, warum wir uns nicht fürchten müssen, ist ein ganz anderer:
Weltraumfahrt ist ein Unterfangen, dass kein Einzelwesen bewerkstelligen kann. Es bedarf der Anstrengung einer ganzen Gesellschaft. Man fliegt nicht einfach zu Alpha-Centauri wie man früher schnell mal nach Indien gesegelt ist. Die Eroberung des Weltraums ist kein Ausflug sondern eher mit dem Wachstum einer Pflanze zu vergleichen. Die Wurzeln sind – zumindest in den ersten Jahrhunderten – das Ökosystem der Erde, der Stamm sind die Weltraumtechnologien des Menschen mit Raumstationen und Versorgungsschiffen, usw. Die Menschheit wächst in den Weltraum hinein. Anders ist dieses Unterfangen nicht zu bewerkstelligen.

Das funktioniert nur als globale Gesellschaft und kann nicht gelingen, solange wir in Nationen und konkurrierende Kulturen aufgespalten sind.

Jede Gesellschaft gründet sich auf Arbeitsteilung; Arbeitsteilung gründet sich auf Kommunikation; Kommunikation gründet sich auf Empathie. Wir verstehen andere Menschen, indem wir sie mit Hilfe unserer Spiegelneuronen simulieren. Daher können wir wissen, wie es sich anfühlt der andere zu sein. Diese Fähigkeit ist als Baby überlebensnotwendig und bezieht sich zunächst nur auf die Mutter, dann auf die näheren Verwandten, dann auf die soziale Gemeinschaft in der man lebt, usw. Mit steigender geistiger Entwicklung vergrößert sich der Kreis derer, mit denen man mitzufühlen imstande ist.
Natürlich begegnet man immer Feinden, die einem den Lebensraum streitig machen und die man bekämpfen muss - und natürlich immer die feindliche Natur, der man das eigene Lebenrecht abtrotzen muss.
Aber mit dem Aufkommen der modernen Technologie sind Feindschaften für unser Überleben gefährlicher geworden als Kooperationen. Wenn wir es nicht schaffen, die Menschheit politisch und bezüglich der Sozialstandarts zu vereinen, werden wir uns niemals zu einer Raumfahrenden Zivilisation entwickeln können. Immer werden die sozialen Ungerechtigkeiten zu Konflikten führen, die uns auf die Erdoberfläche zurück schleudern, wenn wir zu den Sternen greifen wollen. Aber auch die Natur unseres Planeten muss in dieses Mitgefühl einbezogen sein. Solange wir noch nicht in der Lage sind, Tieren ein bewusstes Innenleben zuzugestehen, werden wir auch Schwierigkeiten haben, ein solches bei Außerirdischen in ausreichendem Maße zu erkennen. Und solange wir die Ressourcen nicht nachhaltig nutzen lernen, saugen wir dem Ökosystem das Leben aus. Wenn wir es nicht schaffen, diese Hürden zu nehmen, vernichten wir uns entweder gegenseitig in nuklearen Kriegen oder wir zerstören mit dem Ökosystem die Grundlagen unseres Überlebens.

Wir werden also entweder eine all-empathische Zivilisation sein, die Raumfahrt betreibt, oder wir werden uns auf die eine oder andere Art selbst zerstören.
Dazwischen gibt es keine Graustufen.

Insektenstaaten scheinen dieser Sichtweise zu widersprechen. Sie sind perfekt gesellschaftlich organisiert und trotzdem kriegerisch. Tatsächlich sind in Filmen und Romanen feindliche Außerirdische oft wie Insektenstaaten organisiert. Aber es gibt einen ausschlaggebenden Unterschied zwischen uns und den Insektengesellschaften: Insektenstaaten werden von der Evolution wie Einzelwesen behandelt. Die Evolution wirkt dabei nicht auf die Entwicklung des Organismus von Einzeltieren ein sondern auf die Gesamtorganisation des Staates. Das heißt, dass eine einzelne Ameise keine Ahnung hat, wie der Staat, von dem sie Teil ist, organisiert wird. Daher kann die Evolution auch nicht erlauben, dass so ein Einzeltier einen individuellen Willen und eine freie Intelligenz besitzt. Diese sind aber notwendig, wenn es um das Verständnis von Naturgesetzen und die Entwicklung von Technologien geht. Wir benötigen auf der einen Seite ein größtmögliches Maß an persönlicher Freiheit und Egoismus um überhaupt Wissenschaft betreiben zu können und andererseits das Verständnis von gesellschaftlichen Zusammenhängen und eine umfassende, individuelle Empathie, um fähig zu sein, miteinander altruistisch zu kooperieren. Insektenstaaten werden daher niemals fähig sein, Raumfahrt zu betreiben.

Was heißt das bezüglich unseres Bildes von Außerirdischen? Auch sie werden entweder All-mitfühlend sein, oder sie hätten den Sprung ins All niemals geschafft. Dies ist ein natürlicher Prozess der Evolution von Zivilisationen:


So wie eine Raupe niemals fliegen kann, wenn sie nicht vorher zum Schmetterling geworden ist, so kann eine Zivilisation niemals in den Raum vordringen, wenn sie nicht vorher friedlich und mit allem Leben mitfühlend geworden ist.


Wenn sich also Zivilisationen im All treffen, dann ist Krieg das unwahrscheinlichste Szenario.
Und auch für den Fall, dass eine raumfahrende Zivilisation auf eine Gesellschaft treffen sollte, die diesen Entwicklungsstand noch nicht erreicht hat, wird ihr Verständnis für diese primitivere Spezies so umfassend sein, dass sie, um keinen Konflikt zu riskieren, jeden Kontakt vermeidet. Versklavung, Kolonialisierung, Beherrschung oder einfach nur Ausnutzung anderer Lebewesen zum eigenen Vorteil ist in einem raumfahrenden Bewusstsein nicht vorstellbar. So gesehen könnte es durchaus sein, dass wir längst von Außerirdischen beobachtet werden und trotzdem nichts von ihnen bemerken.

Wenn wir diese Zusammenhänge begriffen haben, dann erkennen wir auch die Vorgaben, an denen wir uns bezüglich unserer eigenen gesellschaftlichen Entwicklung politisch und sozial orientieren müssen, um die Menschheit reif zu machen, ein kosmische Zivilisation zu werden.

Der erste Schritt ist das Bekenntnis zum Weltbürgertum.
Wir sind EINE Menschheit.